Das also ist meine Welt von oben. Sie ist
wunderschön und doch bin ich irritiert. Was mache ich eigentlich hier? Ich
kreise über dem Feldberg, dort liegt noch Schnee. Heute morgen konnte ich schon
auf der Terrasse frühstücken. Vom Wintermantel in das T-Shirt – so ist das im
Schwarzwald. Nun blicke ich trotz des dunstigen Wetters weit nach Westen über
das Rheintal, das tief unter mir liegt, in Richtung Vogesen. Im Süden schälen
sich die Alpen aus dem Dunst, eine Sperrzone, die unüberwindbar wirkt, die es
aber für uns Flieger nicht wirklich ist.
Mein kleiner Apis 2 hat sich gut geschlagen. Er hat
mich da abgeholt, wo ich ihn beim letzten Flug im September letzten Jahres
verlassen musste. Alles fühlt sich so wohlig an, als läge der letzte Flug gerade
mal eine Woche und nicht eine unendliche Sehnsuchtsstrecke zurück. Ich gebe Gas
und beschleunige am Startplatz der Segelflieger vorbei, die auf das nächste
Schleppseil warten. Der Himmel ist blau, mit guter Thermik in Bodennähe ist
wohl nicht zu rechnen, also gönne ich mir 800 Meter Steigen aus dem Tank und spüre
dann, wie der rechte Flügel zuckt und das Variometer auf gutes Steigen umspringt.
Vertrauensvoll fahre ich den Motor ein. Kurz danach herrscht Ruhe und
Wohlbefinden.
Das Wohlbefinden will gar nicht aufhören. Angesagt
waren 2.300 Meter Basis. Ich aber steige und steige und steige. Bei 2.500 Meter
freue ich noch, die Prognose eingeholt zu haben. Aber es geht immer weiter. Für
einen Moment fange ich an zu träumen. Was wäre wenn... es immer weiter so
ginge? Es ist verblüffend und schön zugleich. Erst bei 3.100 Meter habe ich das
Gefühl, dass ich nun zur Abwechslung auch mal Geradeaus fliegen könnte.
Aus diesem Logenplatz wirkt der Schwarzwald wie
eine sanfte Hügellandschaft. Der Feldberg erscheint mir als nette Schneekuppe.
Nach einigem Suchen reißt mich dort ein Bart mit Spitzenwerten über 5 m/s
wieder in Richtung All (so fühlt es sich jedenfalls an).
Ich genieße die vielen Panoramen und bin einfach
nur dankbar. Dies also ist meine Welt. Furtwangen sehe ich, ich könnte mit
einem kleinen Schlenker nach Norden hinüber gleiten und eine Runde über den Tal-einschnitt
drehen, den ich inzwischen gut kenne. Dies also ist meine Welt, die Welt, die
es mir in den letzten Wochen immer wieder so schwer machte, zum Fliegen zu
kommen. Die mich fast all meine Kraft kostete. Nun liegt sie unter mir, die Konflikte,
die mich sonst so quälen sind nur noch Teil des Reliefs, das mir die wunderschöne
Kulisse für meinen Ausflug liefert.
Ich fühle tiefe Dankbarkeit in mir. Dankbarkeit für
meine liebe Frau, die mir diesen Luxus ermöglicht, die mich heute hat ziehen
lassen, obwohl sie sicher auch eigene Pläne hatte. Dankbarkeit für die Gnade,
zur richtigen Zeit in der richtigen Weltgegend geboren worden und frei von echten
Sorgen zu sein. Und Dankbarkeit für einen der tollsten Berufe der Welt, der mir
trotz vielerlei Ärgers doch Freiheiten gewährt. Man redet ja viel von Freiheiten
in Bezug auf das Fliegen. Doch allein das Fliegen macht niemanden frei. Es ist
eine große Illusion, an die wir alle, die wir dem Virus dieses Sports verfallen
sind, glauben.
Während ich über die Notwendigkeit nachdenke, öfter
Dankbarkeit zu empfinden und das Privileg unseres Lebens nicht als Selbstverständlichkeit
abzutun, drehe ich langsam nach Osten und fliege am Schluchsee vorbei, auf dem viele
kleine weiße Segel davon künden, dass nun auch mitten im Schwarzwald der Sommer
angekommen ist. Ich freue mich mit den Menschen, die dort unten Brise um Brise
vorankommen und gleite, nur von einem Schweizer Supersegler überholt, ruhig in
Richtung Bodensee und dann zurück zu meinem Startplatz. Eigentlich möchte ich
landen, doch dann packt mich noch ein Aufwind mit einer solchen Wucht, dass ich
es kaum glauben kann. Also gebe ich nach und lasse mich einfach mit der Thermik
nach oben tragen. So leicht geht das heute, dass ich ernsthaft über den Einbau
eines Radios in meinen Apis 2 nachdenke, denn ein wenig Musik wäre hier in
3.000 Meter etwas Feines.
Irgendwann schaffe ich es dann bei dem inzwischen
aufgefrischten Wind zu landen und baue meinen Flieger mühelos ab. Auf dem
Heimweg finde ich Gelegenheit, das Radio anzudrehen. Die Sonne blendet mich,
aber das kann mich nicht stören. Nach einem so schönen Flug fahre ich glücklich
wieder in meine Welt.
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