14. Mai 2012

Rock'n Roll


Der Flug begann mit Rock’n Roll, ganz unterwartet. Die Luft über dem Schwarzwald kochte. Und ich nutzte die Gunst der Stunde, obwohl ich noch nicht wirklich eingeflogen war in dieser Saison. So hoch standen die Wolken, dass ich mich mühelos in die Hügellandschaft traute, die aus dieser Höhe eher flach wirkte. Wie immer ein faszinierendes Spiel mit der Perspektive.
Voran, voran, das war mein Refrain. Ich querte den Schwarzwald Richtung Freiburg, flog knapp an der Westkante über Offenburg nach Baden-Baden. Jeder Fleck Landschaft unter mir, den ich noch nie oder noch nie aus dieser Perspektive gesehen hatte, entlockte mir Freudenrufe und ein Hochgefühl. Genau das wollte ich: nicht nur Kilometer abspulen und in abstrakte Punkte und Listenplätze umwandeln, sondern neue Horizonte entdecken. Mit diesem Flug war ich mal wieder auf den Geschmack gekommen.
Schon war der Schwarzwald im Norden zu Ende und lief aus. Ich hatte kaum gemerkt, wie ich ihn überflogen hatte. Kurz vor Pforzheim wendete ich und peilte dann die Albkante an. Diesmal hatte ich dann den Schwarzwald als Kulisse in einiger Entfernung. Ein Flug, der mir unerwartet viel Leichtigkeit brachte und so ging es dann weiter.
Gleich am nächsten Tag, einem Montag, saß ich wieder im Flieger. Ich hatte einige Termine umsortiert, was nicht ganz einfach gewesen war, aber ich wollte einfach fliegen. Es war total blau. Aber was für ein Blau! Es ging hinauf in Höhen, von denen ich sonst nur zu träumen gewagt hätte. Was für ein Fliegerfrühjahr hier über meiner Wahlheimat. Erst fliege ich träge vor mich hin, dann packt mich der Rausch. Ein Muster, das ich inzwischen kenne. Erst muss ein Ziel gesetzt werden, dann geht es richtig los!
Ich fliege immer wieder auch tiefer und nutze die Zeit, mir die Landschaft einzuprägen. Ein kleiner Schatten über einem größeren Waldstück erregt meine Aufmerksamkeit. Es ist der Schatten einer Wolke, die kaum als solche zu erkennen, sich langsam herausbildet. Ein Lebenszyklus, der für Flieger eine ganz sonderbare Attraktion hat. Der Schatten wird größer, man würde ihn nie mit der winzigen Ansammlung an Wolkigkeit in Zusammenhang bringen, so hoch schwebt das, was einmal groß und mächtig werden wird, über dem Boden. Doch ich lassen meinen Blick nicht los davon, so schön sind Wolkenbild und Bodenschatten.
In diesem Moment muss ich an Hesse denken, wie er zufrieden von seinem Ruderboot erzählt. Er rudert eines Tages auf den See und lässt sich einfach treiben. Ihm ist egal, was die anderen von ihm und seinem kleinen Boot halten. Die Genussfähigkeit ist mit Einfachheit gekoppelt, nicht mit Komplexität. Dieses Bild des rudernden und rundum zufriedenen Dichters, kommt mir immer wieder in den Sinn. Es war einmal das Leitbild, das mich dazu gebracht hat, auf einen UL-Segelflieger umzusteigen.
So einfach wie ein Ruderboot ist dessen Technik dann doch nicht. Mein Motor machte mir beim Start Probleme. Nach der Landung entschließe ich mich zu einem erneuten Probestart. Mit reduzierter Kraft schleppe ich mich in die Höhe, dann geht der Motor nicht mehr aus. Ich erbitte Direktanflug auf die 36 Gras und lande mit laufendem Motor. Da ich in letzter Zeit viele Unfallberichte gelesen hatte, muss ich immer an den Satz denken: „Fliege das Flugzeug“. So lasse ich mich von den Umständen nicht mehr als notwendig ablenken und lande sicher. Der Apis 2 verhält sich auch mit ausgefahrenem Motor völlig unproblematisch. Das schafft großes Vertrauen. Trotzdem muss ich noch am selben Abend nach Mengen fahren und meinen Flieger dort zur Reparatur abgeben. Damit ist dieser Song vorerst einmal zu Ende.

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