Wenn in Hollywood ein Film ein Kassenschlager
werden soll, dann benötigt dieser drei Zutaten: eine gute Idee, eine spannende
Dramaturgie und eine perfekte Lichtsetzung. Diese drei Elemente hatte ich heute
auf meinem Flug ebenfalls mit an Bord.
Die Idee, Fliegen zu gehen, war erst einmal nicht
so gut. Ich hatte die halbe oder gefühlt die ganze Nacht nicht geschlafen. Das
eine oder andere Würstchen oder Steak des Grillabends lag wohl noch schief. Da
half auch kein Tobinambur („Rossler“), mein Lieblingsgift aus dem Schwarzwald.
Also versuchte ich einfach entspannt dazuliegen und zu warten, bis die Nacht
vorbei ging. Was nicht einfach ist, wenn man weiß, dass am folgenden Tag ein
guter Flugtag angesagt ist. Für den man eigentliche ausgeschlafen sein sollte.
Ich stand also einfach auf, machte mir einen
starken Kaffee und packte alles Notwendige für einen Flugtag ein, ohne die
letzte Nacht weiter zu thematisieren oder nachzudenken, ob ich besser Veganer
werden sollte. Mittags war ich in der Luft. Alles klappte gut, der autonome
Aufbau selbst auf dem Acker hinter der Piste 18, der Start mit dem neu
eingestellten Vergaser. Nur drei oder vier Minuten lief der Motor, gleich nach
dem Abheben wurde das Eigensteigen durch einen kräftigen Bart unterstützt, der
mir 4,5 Meter pro Sekunde Gesamtsteigen auf das Variometer zauberte.
Damit sind wir bei der Dramaturgie. Diese lässt
sich einfach zusammenfassen: Wolken, große Wolken, Wolkenstraßen. Ein Traum.
Kaum Wind – ein perfekter Tag für den Apis 2. Die erste Wolke nach dem
Einfahren des Motors kreiste ich bereits auf über 2000 Meter aus, dann ging es
immer nur weiter gerade aus Richtung Osten. Auch das gehörte zur Dramaturgie:
heute war ein Alb-Tag. Im Delphin-Flug das Steigen mitnehmen, unter langen dunklen
Wolkenstraßen dahingleiten. Ich flog bis zur Grenze des gelben Bereiches, immer
mit 140 km/h zwischen den Steiggebieten. Bei dieser Höhe heute war das kein
Problem.
Immer wieder ballten sich Wolkentürme auf,
versperrten Weg und Sicht, spielen mit ihrer Kraft. Entweder fielen sie wieder
zusammen, oder sie verbanden sich mit anderen Kraftprotzen zu noch größeren
Türmen. Und damit sind wir beim Licht. Ich wusste den ganzen Tag nicht, ob ich
mir beim Kappe tief ins Gesicht ziehen sollte um mich vor dem gleißenden Licht
auf freier Strecke zu schützen oder ob ich eine Leselampe im Cockpit anmachen
sollte, weil es unter den prallen Wolken so dunkel war.
Hinter dem Nördlinger Ries waren die Wolken nicht mehr
freundlich sondern bedrohlich. Schweren Herzens kehrte ich um, nicht ohne einen
kleinen Schwenker über den Hornberg zu machen. Zuerst überkam mich ein wenig
Wehmut und Nostalgie, ich musste an die vielen Wochenenden und Sommer dort
denken, an meine Frau und unseren alten Wohnwagen. Doch dann freute ich mich auch,
dass es weiter ging, das Leben Entwicklung sein durfte. Ein paar geheime
Gedanken, die ich nur mit meiner Frau teilen werde, schossen mir über unsere
gemeinsame Zukunft durch den Kopf. Und dann war der Hornberg schon wieder
verschwunden.
Der direkte Rückweg wurde mir von einer
überentwickelten Wolke versperrt. Nicht das erste mal fand ich heute Steigen im
Regen, kurvte dann aber doch nach Norden um das Ungeheuer sicher zu umfliegen.
Ich stolperte in Riesenhöhe aus der Alb, sah aber, dass ich den Schwarzwald nicht
erreichen würde. Dort regnete es bereits. Später stellte ich fest, dass mir meine Frau
eine besorgte Nachricht auf meine Mailbox gesprochen hatte. Sie hatte
befürchtet, dass ich unterwegs irgendwo vom Regen aus dem Himmel gespült worden wäre.
Aber nein, es lief gut. Sehr gut sogar. Noch immer
steig die Basis. Es würden dann später 400 km gewesen sein, nach OLC vielleicht
auch 450. Aber das spornte mich im Moment nicht an. Das war nicht mehr meine Welt, wenngleich ich ab und zu in diese blickte - aber eher, um die Leistungsfähigkeit des Apis 2 zu dokumentieren. Ich war fasziniert vom
großen Kino um mich herum, dem Himmelskino. Ein Programm, nach dem wir alle
mehr oder weniger süchtig sind, wenn wir einmal mit dem Fliegen begonnen haben.
Das große Kino, das ins Herz geht und in den Kopf, vielleicht auch in die
Seele, sollte es diese tatsächlich geben.
Ich war hundemüde und hatte große Probleme mich
aufgrund des Schlafmangels zu konzentrieren. Es gab keinen Horizont, weil die
Sicht so schlecht war. Mein Wassersack war ausgelaufen und ich saß hier oben in einer kalten Pfütze.
Und dennoch könnte ich mir diesen Film immer wieder ansehen, er würde mich nie
langweilen. In einem letzten schnellen und ruhigen Gleitflug durchstach ich die
letzte dunkle Wand, die mich noch von meinem Heimatflugplatz trennte und schwebte
in einem Meter Höhe über die lange Piste von Donaueschingen um dann fast direkt
vor meinem Hänger zum Stehen zu kommen. Das große Kino war vorbei, das Kino im
Kopf fängt damit aber erfahrungsgemäß an. Nach diesem Film werde ich sicher gut schlafen.
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