Auf dem Weg nach Hause gibt es, aus dichtem Wald
kommend, eine Kurve, die durch eine Baumallee hindurch den Blick auf den
nahenden Schwarzwald freigibt. Einige Wiesen schwingen sich langsam zu Höhe
über dem Meeresspiegel auf, in der Ferne markiert eine grüne Fläche den Rand
des Waldbestandes. Immer, wenn ich vom Flugplatz nach Hause fahre, den Apis 2
in seinem Hänger hinter mir herziehe, geht im Westen die Sonne unter, zwischen
den Bäumen, die vorausblickende Menschen einst hier am Straßenrand gepflanzt
haben. Da die Sonne dann sehr tief und genau in Blickrichtung steht, trage ich
meine Sonnenbrille, obwohl es schon spät ist, kurz vor Sunset. Heute aber, war
es nicht nur ein normaler Sonnenuntergang, sondern ein lebendiges
Gesamtkunstwerk, in das ich blickte.
Noch nie hatte ich diesen Weltenausschnitt so schön
gesehen. Die untergehende Sonne tauchte die Landschaft, die Wiesen, die Häuser
in ein mystisches Licht, so als hätten tausend katholische Päpste
zusammengelegt, um alles in ein filigranes Blattgold zu tauchen. Ich hätte am
liebsten angehalten, wusste aber, dass nur dieser Moment so unnachahmlich sein
würde, das Passieren der Kurve, der Blick durch die Allee, die untergehende
Sonne und die Landschaft mit Goldrand. Wer in einem solchen Moment nicht
dankbar für sein Leben ist, für den gerade erlebten Flug und das damit
verbundene Privileg sowieso, wer nicht sogleich schwört, vor lauter
Dankbarkeit, so viel Schönes sehen zu dürfen – und sei es nur für ein paar
Sekunden – der hat nie gelebt oder weiß nicht, was Leben bedeutet.
Und in der Tat sah ich an diesem Tag viel Neues.
Schon nach dem Start drehte ich Richtung Schwarzwald, nahm es mit einer
Wolkenstraße auf, die mich immer weiter über die grüne Hügellandschaft zog.
Südlich am Feldberg leitete sie mich in ein bislang unbekanntes Gebiet. Ich
konnte meine Aufregung kaum bändigen, so sehr war ich erfreut, dort hinfliegen
zu können, wo ich noch nie gewesen bin. Ein wenige später sah ich den Rhein,
das Kernkraftwerk bei Waldshut und erhielt eine Warnung, nicht in die TMA
Zürich einzufliegen.
Weit konnte ich in die Schweiz blicken, sah den
Züricher See, weit sah ich nach Frankreich. Überall hin zog es mich zugleich,
aber Luftraumbeschränkungen und fehlendes Kartenmateriel verhinderten in beiden
Fällen einen Einflug ins Nachbarland. Dafür querte ich den Flugplatz Hotzenwald,
der wunderschön an einer Klippe liegt, sah die beiden großen Wasserspeicher im
Südschwarzwald und dachte an meine liebe Kollegen Eduard Heindl, den Erfinder
des Lageenergiespeichers.
Einmal verbastelt wurde es bei der hier vorfindbaren
Bodenbeschaffenheit schnell ungemütlich. 500 Meter über Grund fühlen sich über
dem Hotzenwald nicht wirklich prickelnd an. Doch immer wieder packte mich ein
starker Aufwind. Nun wollte ich nach Norden, flog am Feldberg vorbei, kreiste
mit einem Paraglider, machte schnell ein paar Fotos und peilte dann eine Wolke
über Furtwangen an. Das war dann schnell auch die letzte, ich musste nun am
Ostrand des Schwarzwaldes entlang fliegen, da der Hauptkamm keine Wolken mehr
produzierte.
Obwohl ich diese Gegend nun mittlerweile kannte,
machte es mir doch immer wieder Freude, der Schwarzwald ist einfach eine
Augenweide. Trotzdem packte mich der Ehrgeiz und ich versuchte in die Alb
einzusteigen, was dank der guten Thermik auch problemlos gelang, die Basis stieg
noch an. Diese Strecke kannte ich von meiner Zeit mit dem Mini Nimbus, ich flog
unter einer Wolkenstraße entlang und traf mehr Flieger, als mir lieb war,
darunter einen Taurus und einen Bergfalken. Wie viele Jahrzehnte liegen
zwischen diesen beiden Konzepte? Wie viele Sehnsüchte, erfüllte und
enttäuschte? 1986 hatte ich auf Burg Feuerstein auf einem Bergfalken geschult,
nach 10 Tagen und 37 Starts durfte ich zum ersten Mal in meinem Leben alleine
ein Flugzeug fliegen. Eckdaten, die sich einbrennen, mehr noch als die
Abi-Note. Und heute gibt es so wunderbare Flugzeuge wie den Taurus oder den
Apis 2. Die Zeiten haben sich geändert, doch dort oben unter der Wolke trafen
Vergangenheit und Zukunft aufeinander, umkreisten sich spielerisch und
konfliktfrei und trennten sich
dann wieder, um ihre je eigenen Wege zurückzulegen. Gemeinsam unter einer Wolke
zu kreisen, kann ein wenige Epistemologie am Himmel bedeuten.
Über Ulm wollte ich unbedingt noch eine Wolke
testen. Wie immer in solchen Fällen, wo man unbedingt etwas will, erwies sich
der Entschluss als falsch. Wer ungeduldig ist, macht Fehler. Ich hatte Mühe,
nochmals Anschluss zu finden und dann die 110 Kilometer zurück gegen den Wind
aus Westen zurück zu legen. Denn das ist das Einzige, was der Apis 2 nicht mag:
Gegenwind. Ein paar Drachenflieger und andere Segelflieger markierten mir aber
die Thermik in Richtung Donaueschingen. Noch einmal sah ich mir recht tief
einen Steinbruch bei Rottweil an, nur um dann von einem tollen Aufwind aus der
Senke gehoben zu werden, reif für den Endanflug, der dann durch eine
Wolkenstraße direkt in Flugrichtung zu einem einzigen Spaß wurde. Nach sieben
Stunden landete ich überglücklich, soviel ist sicher. Was an diesem Tag schöner
war, der Flug oder die goldene Landschaft blieb hingegen unklar.
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