Seit dem letzten Flug habe ich viel erlebt, bin um
den halben Globus geflogen, nur um 15 Minuten vor Kollegen in Japan zu
sprechen. Ob sich das lohnt, weiß kein Mensch, es zählt das olympische Prinzip:
Dabei sein ist alles!
So war ich froh, als dann auch 10 fast nur
verregnete Tage am Lago Maggiore vorbeigingen, die ich zu allem Übel auch noch
offline verbringen musste – für mich geht das gar nicht. Eine
Zwischenübernachtung in Furtwangen – meine Frau hatte die Schlüssel für unsere
neue Ferienwohnung am Feuerstein zu Hause vergessen – und dann schnurrte unser
kleines rotes Auto mit dem Bienchen im Anhänger den inzwischen bekannten Weg
nach Ebermannstadt, dem Tor zu Fränkischen Schweiz.
Umwege erhöhen die Ortskenntnisse, pflege ich zu
sagen. Und auch wir wurden umgeleitet und sahen so schon die besten Seiten der
Gegend, die wir dann später zu Teil erwanderten.
Der Reisetag wäre ein herrlicher Flugtag gewesen.
Ich tröstete mich damit, dass auch der Folgetag noch gut vorausgesagt war. Also
gleich am ersten Tag müde aber froh gelaunt, den Apis 2 aufbauen und voller Vorfreude
an den Start schieben. Ich stelle meinen Flieger auf die Piste, mache mich fertig
und starte den Motor. Also, ich versuche ihn zu starten, aber leider tut sich
nichts. Nur vorne, unter mir im Rumpf höre ich das Relais klacken. Aussteigen,
den Flieger von der Piste schieben, ratlos gucken und stauen. Pascal, ein guter
Geist und Kenner der Materie kommt und hilft. Aber erst nach einige erfolglosen
Versuchen, die Batterie nachzuladen kommen wir auf die Idee, den Anlasser
aufzuschrauben. Und siehe da: zwei Kabel sind durchgeschmort.
Das war es dann. Zum Glück ist erst einmal
schlechtes Wetter. Wir bestellen einen neuen Starter, der auch am Samstag
kommt, Zeit ihn einzubauen und auf den ersten wirklich fliegbaren Tag zu
warten. Das soll der Mittwoch sein. Solange heißt es Trübsal blasen, ins
Schwimmbad gehen, wandern (wunderschön!) lesen und ein wenig arbeiten...
Am Mittwoch dann starte ich mit einem neu eingebauten
Anlasser auf der Piste 26 nach Westen und gleich geht es in diese Richtung
weiter, es lockt die alte Heimat, Würzburg und es lockt im Fall der
Notwendigkeit umzukehren, der Rückenwind. Würzburg liegt dann doch zu
abgeschattet, dafür nehme ich Schweinfurt und setze mir dann als Ziel die
Wasserkuppe, die ich über Bad Kissingen erreiche, wo mir eine ASK 21 ein wenig
auf die Sprünge hilft. Hoch geht es nicht, und aus dieser Perspektive mit 1500
Metern Basis sieht die Wasserkuppe komisch aus. Aber ich bin da und erweise dem
Berg der Flieger meine Referenz. Im stillen gedenke ich der vielen mutigen
Männer und sicher auch einigen Frauen, die hier ihr Leben gelassen haben, um
eine Technik zu vollenden, die mir heute hilft, hier so mühelos entlang zu
gleiten...
Ich schwenke nach Nordosten um irgendwo am
Thüringer Wald herauszukommen. Etwas oberhalb von Suhl komme ich an, packe die
Linie über dem Kamm und schnurre noch ein wenig weiter nach Norden. Aber an
diesem Tag war ich wohl ein wenig zu übermütig. Noch tragen die Wolken, aber je
mehr ich über Suhl zurück fliegend mich Bayreuth nähere, desto zäher wird es,
dazu der Wind aus Westen. Ich mache einen taktischen Fehler, der dann nur kurze
Zeit später mit einer Außenlandung endet. Statt direkt nach Westen zu drehen
und einer Wolkenstraße zu folgen, drehe ich noch einmal nach Osten, weil dort
eine so wundervolle Prachtwolke steht, die ich noch küssen muss. Das war dumm
von mir, denn leider entpuppt sich die Wolke als wenig berauschend, so dass ich
nun den Hin- und den Rückweg verplempert habe, also meine Höhe so weit
reduziert habe, dass ich keinen Anschluss mehr an die Wolkenstaße finde.
Immer tiefer geht es, nach Westen kam eine
Wolkenabschirmung herein, Thermik ist hier nicht mehr zu vermuten. Gedanklich
bereite ich mich auf eine Außenlandung vor. Tatsächlich aber bereite ich den
Motor für einen Wiederstart in der Luft vor. Bislang hat das immer perfekt
funktioniert. Bislang hat es funktioniert – das ist aber keine Garantie dafür,
dass es auch in Zukunft immer funktioniert. Nach dieser Landung habe ich ein
definitiv anderes Script im Kopf. Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas
theoretisch weiß (Lehrbuchwissen) oder ob man es selbst schon einmal erlebt
hat. Das Erlebte verändert das eigene Verhalten viel radikaler als reine
Vernunft (wenngleich beides zusammen vielleicht die ideale Kombination ist).
Ich fahre also den Motor aus und bin mir noch sehr
sicher, dass ich gleich weiter nach Hause fliege. Dennoch suche ich mir
pflichtbewusst (Vernunft!) aber ohne große Überzeugung eine Landewiese. In dem
Moment, in dem ich auf den Starterknopf drücke und nur wieder das Klacken des
Relais im Rumpf höre, weiß ich sofort, dass ich die Wiese brauchen werden. Was
jetzt passiert, ist auch wie aus dem Lehrbuch: Zunächst sage ich mir laut vor:
Fly the plane! Um mich nicht so sehr mit den Motorfummeleien zu beschäfigen und
dann dabei abzuschmieren. Dennoch versuche ich nur zwei- oder dreimal den Motor
zu starten. Aus jetziger Sicht würde ich sagen, dass war zu viel. Stattdessen
hätte ich mich besser auf die Außenlandung konzentiert.
Ich unternehme keinen Versuch, den Motor wieder
einzufahren, vielleicht war es falsch, vielleicht richtig, ich weiß es nicht.
Ich peile mein Landefeld an, nun geht es rasend schnell. Ärger auf später
verschieben, alle anderen Fragen auch (das habe ich zum Glück früher schon
gelernt...), Queranflug an einem Hang entlang, die Bäume knapp unter mir, denn
die Wiese liegt einem kleinen Talkessel.
Im Endanflug sehe ich einen Strommasten aus Metall,
aber keine Leitung. Die Leitung müsste quer zu meinen Anflugweg hängen und
zudem mitten in meinem Gleitpfad. Wenn sie da wäre. Was tun? Ich komme immer näher,
sehe aber keine Leitung. Gleichzeitig will ich nicht riskieren, im letzten
Moment in einer Leitung hängen zu bleiben. Also tue ich so, als ob eine Leitung
da wäre, fahre ich Klappen wieder ein und steige über die unsichtbare Leitung,
nur um danach wieder mit vollen Klappen in die Wiese zu gehen, allerdings
diagonal, weil sie nun wegen meines planvollen zu hohen Anflug zu kurz ist.
Alles geht gut, die Landung ist butterweich. Später
erfahre ich von Bewohnern des nahen Ortes, dass man die Leitung vor einiger
Zeit abmontiert hat...
Marion holt mich heldenhaft zurück, wir bauen das
Leitgewicht Apis 2 ab und sind um 22 Uhr wieder am Platz, allerdings ist es um
diese Zeit schon so dunkel, dass einem wehmütig ums Herz werden kann.