Unser Auto gleicht wie früher einem Zigeunerwagen und wir beweisen wieder einmal, dass Packen ein Element der Lebenskunst ist. Als Proviant nehmen wir Fröhlichkeit und Fürsorglichkeit mit, aber auch allerlei Bedenken. Wir sind unterwegs zu einem neuen Flugplatz, Kempten, und wollen dort mit unserem Apis 2 den Sommerurlaub verbringen. Letzte Checks, der Motor fährt sauber ein uns aus, wir hängen an und fahren in den Urlaub. Allein das ist neu an unserem fliegerischen Konzept.
Nach der nicht allzu langen Fahrt durch schöne Landschaft, kommen wir bei unserer Ferienwohnung an, den Flieger haben wir dabei. Das Wetter ist noch schlecht, wir wollen erst auf eine Besserung warten, bevor wir ihn zum Flugplatz bringen. Noch an selben Abend umwandern wir den See, der gleich hinter unserer Wohnung liegt. Mit Vorfreude auf den ersten Erkundungsflug gehe ich ins Bett.
Ein paar Wochen zuvor waren wir mit dem Eurostar schon einmal hierher geflogen. Weniger als eine Stunde dauerte das von Donaueschingen aus. Wir verlängerten gleich über Kempten hinaus und statteten der Stadt Füssen und dem Schloss Neuschwanstein einen Besuch aus der Luft ab. Es würde länger dauern, bis ich dies mit meinem Apis 2 tun konnte. Das Wetter war schlecht, erst später las ich im Reiseführer, das der August im Allgäu der regenreichste Monat (im Schnitt 16 Regentage) war. Aber es gab ja auch so genug zu tun, vor allem: Ausschlagen, gemütlich Frühstücken, Zeit zusammen verbringen.
Nach ein paar Tagen dann endlich fliegbares Wetter. Eine Entscheidung des Lichts, das an diesem Morgen anders als bisher durch die Ritzen der Fensterläden dringt. Ich spüre es intuitiv, ohne darüber nachzudenken, steht ich auf, um aus dem Fenster schauen zu können. Meine Frau weiß dann schon, was passiert. Ich werde unruhig, dränge, quängele. Wie ein Kind, mit dem man Geduld haben muss.
Wir fahren das erste Mal mit dem Hänger zum Flugplatz und bekommen problemlos einen Platz zugewiesen. Was zu Hause ein Riesending darstellt, geht hier mühelos. Zwischendurch wohnten wir für zwei Tage im Hotel, weil die Stadt beschlossen hatte, die Straße vor unserer Ferienwohnung aufzureißen und neu zu teeren. Aber nun ist es soweit. Der Fliegerurlaub – als Urlaub im Urlaub – kann beginnen. Zu zweit bauen wir das Schmuckstück auf. Meine Innovation – eine Wasserwaage auf dem Seitenleitwerk – macht sich bezahlt. So kann ich den Apis 2 besser horizontal ausrichten. Die Montage ist damit ein Kinderspiel. Bei den leichten Flügeln sowieso. Immer das gleiche Ritual, das Sicherheit schafft: Montage, abkleben, Ruderkontrolle, Vorflugkontrolle.
Ich bereite mich für meinen ersten Start in Kempten vor. Etwas mulmig ist mir schon. In Verlängerung der Startbahn 25 muss ich einen Fluss überfliegen, dann nach links schwenken, immer dem Fluss entlang, gegen das aufsteigende Gelände. Aber alles funktioniert mühelos. Der Start gelingt problemlos, das Steigen ist propper, ich kreise ein paar Minuten später über dem Speichersee hinter unserer Ferienwohnung. Erstaunlicherweise ist das Steigen mitten über dem See am besten.
Obwohl die Thermik in den Bergen ganz gut entwickelt ist, halte ich mich noch respektvoll zurück. Mir gelingt wunschgemäß ein aufregender Flug vor gigantischer Kulisse. Ich fliege über Füssen und komme doch noch an Neuschwanstein vorbei. Ein paar Tage später werden wir den Hausberg dort ganz sportlich zu Fuß erklimmen. Jede dieser Begegnungen ist auf eine besondere Art unvergleichlich schön.
Das Wetter in den wenigen fliegbaren Tagen (fünf in zwei Wochen) wird immer schlechter. Immer wieder saufe ich ab und muss den Motor ausfahren und starten. Immer gelingt das problemlos.
Bei meinem zweiten Flug halte ich Zwiesprache mit der Sonne. Es ist blau, keine Wolke weit und breit. Aber es ist ein guter Tag, um den Flieger zu testen und sich intensiver mit dem Flugverhalten zu beschäftigen. Das minimale Flattern bei ca. 105 km/h hatte ich schon bei den ersten Flügen über dem Schwarzwald kennen gelernt. Es ist absolut unproblematisch, da man meist langsamer oder schneller fliegt. Ungewohnt sind allein die sehr starren Kohleflügel, mit denen sich die Thermik nicht ganz so intuitiv erspüren lässt. Mehrere Male sehe ich mir meine Mini Nimbus zurück, der in dieser Hinsicht ganz wunderbar war. Aber ich vergegenwärtige mir auch die Vorteile: das Flugverhalten ist, trotz des (relativ) geringen Gewicht des Fliegers auch in ruppiger Luft, in Blauthermik oder Thermik ganz allgemein, sehr angenehm stabil.
Immer wieder gelingt es mir, mit großen Greifvögeln zu kreisen, bis ich merke, dass etwas nicht stimmt. Ich werde das später noch öfter feststellen. Die Vögel reagieren irgendwie aggressiv auf den Apis 2. Möglich, dass es an der Flügelform liegt, die, von einer bestimmten Perspektive aus betrachtet, leicht an einen Habicht erinnert. Jedenfalls mehr als an eine Biene.
Die Cirren am Himmel kommen immer näher und damit steigt auch Traurigkeit auf in mir. Was das der Auftakt oder schon das Finale? Wohin mit meinen aufgestauten Sehnsüchten? Die Flüge sind – immer gemessen am Diktum des OLC – überhaupt nicht aufsehenerregend. Dennoch bin ich abends nach der Landung müde von den vielen neuen Eindrücken. Noch ist es nicht das, was ich mir erhofft hatte. Technische Probleme zwingen mich, den Urlaub zu unterbrechen und für eine Reparatur nach Mengen zu fahren. Immer gibt es Ärger mit dem Auspuff, der Aufhängung. Es wird mich noch viel Überlegungen und Mühe kosten, diese Problem (das einzige) zu lösen. Ich werde ungeduldig, zweifle meine Entscheidung an, muss mühsam lernen, mit meiner eigenen Philosophie umzugehen!
Aber am Ende werden es sechs Flüge sein. Nicht gerade eine preisgekrönte Erfolgsbilanz, aber ich habe viel gelernt. Über den Flieger, den man sich aneignen muss, Stück für Stück. Über mich, meine eigentlichen Sehnsüchte. Und allein dafür hat es sich schon gelohnt.
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