Nachdem das Gewitter durchgezogen war, stieg ich
auf mein Rad und fuhr die kleine Runde am Stausee vorbei. Nicht sehr sportlich,
aber immerhin. Ein paar Tage vorher wanderten meine Frau und ich zwei Tage lang
durch den Schwarzwald, 1000 Höhenmeter, mindestens. Zu Fuß und mit Rucksack. In
dieser Woche hatte ich fast jede Fortbewegungsart durch, vielleicht fehlte noch
der Lama-Express.
Gestern entschloss ich mich sehr spät dazu, noch
fliegen zu gehen. Zwischen der Entscheidung und der Tat standen dann noch zwei
Stunden Fahrt nach Mengen (dort stand mein Apis 2) und das übliche Prozedere
(Aufrüsten, checken usw.). Erstaunlicherweise ging das alles sehr relaxed von
sich. Marion, meine Frau, war in meiner Nähe, das beruhigt mich immer.
Kurz nach 14 Uhr konnte ich dann starten. Noch vor
zwei Jahren hätte ich einen Nervenzusammenbruch erlitten. Seit 10 oder 11 Uhr
standen die Cumuli sauber gereiht am Himmel. Mindestens drei Stunden Flugzeit waren
mir inzwischen verloren gegangen. Aber mir ging es heute nicht um schnöde
OLC-Punkte. Sollten doch andere die Tabelle mit ihren ach so vergänglichen
Daten füllen. Ich wollte einfach fliegen! In die Luft und genießen.
So war es dann auch. Kurz nach dem Eigenstart
kurbelte ich mit noch laufendem Motor in bester Thermik. Zumindest ein Vorteil
eines späten Starts. Wozu noch den Motor laufen lassen, fragte ich mich. Also
aus, rein in den Kofferraum und dann los. Wohin? Natürlich Richtung
Schwarzwald, meiner Wahlheimat. Die Wolkenbasis war schlicht atemberaubend, es
mag gut fünf Jahre her sein, seit ich das letzte Mal eine solche Höhe (über dem Meeresspiegel) erreicht
habe. Entsprechend einfach war es, selbst mit dem Leichtgewicht Apis 2, gegen
den Wind nach Westen anzufliegen. Eine Wolke und ich war über Neuhausen ob Eck,
die nächste katapultierte mich schon nach Donaueschingen. Ich flog darüber
hinweg, weiter in den Schwarzwald hinein. Der Feldberg lag thermisch ungünstig,
also steuerte ich den Kandel an, über die Linacher Staumauer, an der ich heute
entlang radelte, über Furtwangen, meinen Wohnort.
Mittlerweile hatte sich eine gigantische
Wolkenstraße nach Norden hin aufgebaut. Ich musste einfach dort hin. Zunächst
war das kein Problem. Nur ein paar schnelle Einsitzer und Doppelsitzer kamen
mir muskelbepackt entgegen. Wie gerade aus dem Fitnessstudio kommend, pumpten
sie sich unter der Wolke hoch. Ich flog in die andere Richtung, nach Norden. Mit weniger Muskeln, dafür umso mehr Zuversicht.
Doch das war nicht so ideal. Dachte ich gerade
noch, dass es unter dieser dunklen Wolkenstraße gewiss ziehen muss, so wurde
ich kurz darauf eines Besseren belehrt, als sich die ersten Regentropfen auf
meiner Scheibe sammelten. Auf den Flächen rechts und links sowieso. Das war also ein Fehler. Im Regen herrscht selten gutes Steigen. Also nichts wie raus hier, Schwarzwald adé. Ich biege ab nach
Osten. Unter der dunklen Basis erkenne ich das Zementwerk bei Rottweil,
immerhin könnte ich dort landen. Eine Wolke steht dort in der Nähe. Weit, weit
weg. Über mir zieht 200 Meter höher ein 18 Meter-Flieger an mir vorbei, auch er
will raus aus der dunklen Brühe, auch er will zu dieser rettenden Wolke. Ein Moment, in dem ich eine Art Groll verspüre. Denn der Unterschied besteht darin, dass er ein paar
echte Gleitpunkte mehr hat als ich. Aber immerhin kann ich den besseren Flieger als Thermikboje
nutzen. Ich komme später an und viel, viel tiefer. Aber ich weiß, wo ich
steigen kann, dank meines Vorausfliegers.
Wieder über der Alb wird das Wetter immer
traumhafter. Ruck Zuck bin ich dank der gigantischen Basishöhen wieder im
Gleitbereich von Mengen, eigentlich total unsportlich. Also biege ich ab
Richtung Bodensee. Gerade als ich überlege, wie wohl die Jets in Friedrichshafen
anfliegen, sehe ich unter mir eine Maschine von German Wings, kurz darauf eine
der Lufthansa über mir. Also lieber nach Norden, obwohl ich so gerne zum
Säntis und zurück geflogen wäre. Mühelos steige ich, mühelos "jette" auch ich,
soweit es mein UL-Segelflieger und seine Belastungsgrenzen zulässt, zwischen
Riesenwolken hin- und her. Rauschhaft wirkt das Ganze, wie in Ekstase.
Irgendwann ist dieser Rausch zu Ende, lange nach 19
Uhr lande ich dann. Ich freue mich auf die Wärme des Vorsommers, einen Abend am
See mit meiner Frau. Das Waschen des Fliegers ist mein liebstes, mein heiligstes Ritual nach einem solchen Flug.
Spät nachts kommen wir zu Hause an, ich dusche und
falle müde ins Bett. Aber dieser Tag, dieser Flug endet noch nicht. Es sind Flüge
wie dieser, die noch lange weitergehen. Ich fliege weiter im Kopf, kann nicht anders,
die Bilder tauchen immer wieder auf, die Eindrücke von Licht, Kontrasten, erlebten Gefühle zwischen Frust und Lust. Ich drehe immer weiter, bis zum
Aufwachen. Das war, in diesen Dimensionen gemessen, einer meiner längsten
Flüge.
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