2. Juni 2012

Licht und Schatten


Das Thema des heutigen Fluges zu finden, fiel mir nicht schwer. Mal flog ich unter dunkeln Wolken, einige hatten sich zu einer Ahnung von Wolkenstraßen zusammengefunden. Dann wieder riss die Abschirmung auf und schlagartig wurde es heller um mich, das Wolkenbild änderte sich, indem einzelne große Wolken neu entstanden, mit scharfer Unterkante, so, wie Segelflieger es lieben.
Der Flug war eigentlich nicht geplant. Und meist sind das die schönsten Flüge. Jedenfalls entspricht es der Philosophie des freien Fluges viel mehr, als das Abspulen durchgestylter Streckenverläufe. Heute startete ich in Mengen, nachdem einige Kleinigkeiten am Apis 2 repariert worden waren. Es war schon spät, fast Nachmittag, alle Eigenstarter waren während der Reparatur über mich hinweg gebraust. Einige Schmuckstücke darunter.
Mir war für heute nur wichtig, dass der Motor wieder gut lief, der Start war klasse, keine Probleme. Ich war wieder zufrieden mit mir und der Welt. Immer wieder wundere ich mich darüber, wie sehr Stimmungen doch vom Zustand des Flugzeuges und noch viel mehr vom Wetter des Tages abhängen können. Herrschaft gutes, d.h. fliegbares Wetter, das Flugzeug ist aber nicht einsatzbereit (was vorkommen kann), dann wird die Segelfliegerseele gequält.
Nach dem Flug, der weitgehend ohne besondere Höhepunkte verlief, was in diesem Fall aber als ein Qualitätsmerkmal zu verstehen ist, rollte ich an der Wezel-Halle aus und schob den Flieger über das frisch gemähte Gras zu meinem offenen Hänger. Es ist schön, wie einfach das geht, ohne mich zu plagen. Dann gönne ich mir ein Ritual, dass ich lange vergessen hatte, mir aber unglaublich gut tut. Ich stelle mein Auto neben den Flieger, drehe das Radio laut auf und schlürfe an dem Cappuccino, den ich mir zwischenzeitlich in der Flughafenkneipe besorgt habe. Langsam, ganz langsam baue ich Batterie und Geräte aus, sprühe das Leitwerk mit Kaltreiniger ein, lassen ihn einwirken. Ich arbeite ohne innere Stoppuhr, muss niemandem beweisen, wie schnell und effizient ich abrüsten kann. Ich ziehe mir das T-Shirt aus, da die Sonne noch warm ist, aber nicht mehr brennt. Gemächlich und gründlich wasche ich dann das Leitwerk und die Flächen. Es geht nicht allein um die Sauberkeit, es geht darum, dass frische Wasser zu riechen, das Gras, das meditative Abledern der Flächen. Alles Bewegungen, die sich seit vielen, vielen Jahren auf so vielen Flugplätzen vollzogen haben und die ebenso zum Fliegen gehören wie das Fliegen selbst. Sie gehören zum Gefühl, Teil dessen zu sein, was wir verkürzt „Segelfliegen“ nennen. Zusammen mit anderen herumstehen und über die geflogenen Strecken zu reden, zu prahlen oder Ähnliches, ist für mich nicht mehr Teil des Ganzen. Daher bin ich froh, den Apis 2 zu haben, der mich davon befreit. Ich kann es tun, muss es aber nicht. Darin liegt der Unterschied.
Später, nachdem ich das Ritual beendet habe und den Flieger alleine abgerüstet habe, sitze ich am nahegelegenen See und trinke ein alkoholfreies Bier. Ich muss schließlich noch nach Hause fahren und außerdem tut mir der Alkohol nicht gut, er steigt mir nach einem Flug zu schnell in den Kopf.
Ich rechne: 13 Stunden werde ich heute unterwegs gewesen sein, davon bin ich knapp 4 Stunden geflogen. Vor 20 Jahren wäre ich an einem solchen Tag komplett aus dem Häuschen gewesen, damals lag die durchschnittliche Flugdauer im Verein im Bereich von Minuten. Heute hört sich das nach einem eher schlechten Wirkungsgrad an. Aber wer rechnet schon gerne so? Niemand, wenn man es genau nimmt. Wir neigen alle zum Selbstbetrug und wahrscheinlich ist das auch gut so. Am Ende bleiben immer die Flüge und damit mit Flugstunden im Gedächtnis, nicht die Fahrtzeit, die Reparaturzeit, die Herumstehzeit oder sonstige Kontextzeiten. Es kommt einfach nur darauf an, ob es das Ganze wert war. Am Ende bleibt immer das Licht, nie der Schatten.

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