22. Juni 2012

Wolke, küss mich


Einer dieser Tage, an denen das Wetter letztlich doch ganz anders aussieht als angesagt. Wie so oft in diesem Jahr. Oder liegt es vielleicht nur ein meiner Wahrnehmung? Fragen wie diese lassen sich nicht wirklich abschließend beantworten.
Jedenfalls genieße ich das Privileg an einem Freitag zu fliegen, unbelastet durch die ganz triebgesteuerten Sonntagsflieger. Mittlerweile meide ich Sonn- und Feiertage, wenn immer das möglich ist. Es macht mir Spaß, nach relativ langer Zeit, meinen Flieger mal wieder aufzubauen (das Wort „aufrüsten“, wie in Segelfliegerkreise üblich, zeigt nur deren Hang zum Paramilitärischen, ich vermeide den Begriff lieber...). Es ist recht windig, von Westen, dass war mir schon klar, als ich die flatternden Fahnen im Industriegebiet sah. Dennoch: ich will fliegen. Und mit diesem Wollen beginnt ja bekanntlich alles.
Nach dem problemlosen Start – der Motor schnurrt wieder sehr zuverlässig – suche ich mir recht schnell eine hilfsbereite Wolke, fahre den Motor ein und finde mich gleich in einem grandiosen Lift. Thermik scheint es zu geben, nur die Wolken fehlen. Ich sehe einige im Nordschwarzwald, doch bis dorthin ist es noch weit.
Am Ostrand des Schwarzwaldes taste ich mich voran, immer auf der Hut, nicht wirklich tief zu kommen, bei Blauthermik macht das nicht wirklich Spaß. Doch das Vorankommen erweist sich als angenehmer und leichter als gedacht. Einerseits, weil mein Apis 2 auch in turbulenter Luft brettgerade und ruhig fliegt. Das weiß ich inzwischen immer mehr zu schätzen. Andererseits, weil die Thermik fast immer da ist, wo ich sie erwarte.
Nur die Wolken ärgern mich. Immer wenn ich gerade denke, ich könnte die nächste, die im Norden steht, erwischen, hat die sich längst aufgelöst, wenn ich ankomme. So muss ich mich im Blauen weiter vorantasten. Ich fliege heute das erste Mal mit meinem neuen isolierten Trinkbeutel, erschrecke aber, als aus dem Mundstück kein Wasser kommt. Als ich mir vorstelle, mehrere Stunden bei dieser Hitze und blauem Himmel zu fliegen, ohne etwas trinken zu können, wird mir ganz anders. Irgendwann, beim dritten oder vierten Versuch, merke ich, dass es einen Unterschied macht, wie ich das Mundstück in den Mund nehme, um daran zu ziehen. Irgendwie hat mich wohl mein Reptilienhirn doch zum Erfolg gebracht und einen alten Saugreflex aktiviert.
Das Fliegen wird immer angenehmer, schon bald bin am Ende des Schwarzwaldes und kehre um. Immer wieder sind die Wolken gerade dann weg, wenn ich sie schon greifbar nahe sehe. So kommt mir der ganze Flug vor, wie die Sehnsucht nach einem Kuss, der dann doch immer wieder, kurz vor der Berührung der Münder, entzogen wird. Aber auch das kann ja bekanntlich lustvoll sein.
Am frühen Abend bin ich dann wieder in Donaueschingen zurück, lande und verpacke meinen Apis 2 für den nächsten Tag, der Wille, noch einen Tag lang zu fliegen ist erwacht, die Zeit soll nun genutzt werden.

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