Vielleicht nimmt die Fähigkeit zur Euphorie mit den Jahren einfach ein wenig ab und wir müssen uns damit zufrieden geben, uns stiller und gelassener zu freuen. Was aber nicht weniger wird, ist die Aufregung vor dem ersten Flug in einem neuen Flugzeug, einem Flugzeug, das man nicht kennt.
Am Sonntag fuhren wir mit dem Apis 2 im Hänger nach Mengen, einem ehemaligen Militärflugplatz mit einer riesenlangen Piste. Uli - der ganz wesentlich an der Entwicklung dieses wunderschönen Flugzeuges beteiligt war und sicher jede Schraube kennt - wartete schon. Nachdem wir den Apis 2 mühelos aufgebaut hatten, wurde es schnell ernst. Das Betriebshandbuch hatte ich natürlich schon am Abend vorher durchgearbeitet.
Ich erinnerte mich an diesem Abend an die Zeit in der Flugschule Feuerstein, die zwei Wochen, in denen ich die Grundzüge des Fliegens erlernte. Ich war 18 und ernährte mich zwei Wochen lang von Brötchen und kalten Bockwürsten weil ich kein Geld hatte jeden Abend in der Gastwirtschaft essen zu gehen. In der Nähe des Fluggeländes wohnte ich bei einer älteren Dame in einem Zimmer unter dem Dach. Jeden Abend setzte ich mich im Bett auf, nahm ein 30 cm-Lineal zwischen die Beine und verwandelte es gedanklich in einen Steuerknüppel. Lange bevor Streckensegelflieger sich Bücher über „Mentales Training“ kaufen konnten, stellte ich mir einfach vor, ich flöge. Und ich steuerte mit dem Lineal, flog Starts, Kurven und Landungen. Jeden Abend, auch in Ermangelung eines anderen Programms, probte ich so stundenlang im Kopf. Ich bin mir sicher, dass es mir halb, mir relativ schnell zurecht zu finden. Nach 10 Tagen und 37 Starts flog ich zum ersten Mal alleine.
So ähnlich ging ich auch diesmal vor. Im Kopf flog ich durch alle normalen und unnormalen Flugzustände. Aber nun saß ich nicht auf dem Bett und hatte ein Lineal zwischen den Beinen, ich saß in meinem neuen Flieger und stand am Start. Letzte Einweisungen und Tipps von Uli verstärken das Grundvertrauen, dass ich inzwischen in den Apis 2 hatte. Ich machte mich startbereit und meldete mich am Tower.
Langsam schob ich den Gashebel nach vorne und passte auf , dass die leichte Biene (Apis bedeutet „Biene“ auf lateinisch) nicht auf die Schnauze ging. Der rechte Flügel, der gerade noch am Boden rollte, hob sich, ich nahm Fahrt auf, gab nun Vollgas und beschleunigte auf der Piste, die eigentlich für Donnervögel gedacht war, nicht für Bienen.
Dann kam der Moment, von dem ich lange geträumt hatte und an den ich zwischenzeitlich gar nicht mehr glauben wollte. Mit der Kraft des kleinen eingebauten Motors hob ich ab und stieg zügig in den Himmel. Der Begriff „Eigenstarter“ nahm schlagartig eine andere, eine persönliche, Bedeutung für mich an. 25 Jahre Fliegerei rauschen durch meinen Kopf, lange Wochenenden an irgendwelchen Flugplätzen, Tage, an denen ich der Willkür der Startleiter und Fluglehrer ausgesetzt war, Stunden des Wartens, um dann einen Flug von drei Minuten Dauer an der Winde zu absolvieren, genug für heute, jetzt kommt ein anderer dran. Das ist nun vorbei, ohne dass ich es bereue! Alle diese Erfahrungen waren wichtig! Umwege erhöhen die Ortskenntnisse. Die Erfahrungen mussten gemacht werden, um schätzen zu können, was ich gerade erlebte: Im eigenen Flieger aus eigener Kraft zu starten. nicht alles sein.
Sehr hoch stieg ich nicht bei diesem ersten Start, denn ich hatte zuvor ausgemacht, gleich wieder zu landen und dann einen längeren Flug durchzuführen. Als ich den Motor einfahren wollte, gibt es irgendein Problem, die Anzeige signalisierte „Status Failure“. Zum Glück hatte ich das Betriebshandbuch mehrfach gelesen. Es war ärgerlich, aber ich hatte kein Problem damit, sondern schaltete (wie empfohlen) die Motorsteuerung aus und dann wieder ein. Danach ließ sich der Motor ohne erneute Probleme einfahren. Ein paar Kreise links und rechts, dann war ich davon überzeugt, dass der Apis 2 auf mich hört. Schnell war die Höhe verbraucht und ich meldete mich zur Landung. Parallel zu mir flog ein Motorflieger in der Motorflugplatzrunde. Aber ich nutzte die Segelflugplatzrunde. Dieses Flugzeug ist ein Zwitter: formal ein Ultraleichtflugzeug, technisch ein eigenstartfähiges Segelflugzeug. Ich war gespannt, zu welchen Verwirrungen dies in Zukunft führen würde. Es sollten einige sein.
Nach der Landung wurde ich von meiner Frau mit einem selbstgepflügten Wiesenblumenstrauß begrüßt. Sie hatte Tränen in den Augen - Freudentränen. So viel bedeutet es ihr, mich glücklich zu sehen. So viel bedeutet es mir, so geliebt, so verstanden zu werden. Es war nicht mein erster Alleinflug, so wie damals auf Burg Feuerstein, aber es war der Erstflug in eine neue fliegerische Epoche. Wir umarmten uns auf der Wiese und wurden uns des großen Glücks bewusst, dass denjenigen Menschen gegeben ist, die entscheidende Momente des Lebens teilen und sich nicht erst am Abend im Vorbeigehen davon berichten, was gewesen ist.
Leider war beim ersten Flug eine Feder am Schalldämpfer des Motors gebrochen - die Ersatzfeder lag zu Hause. Damit blieb es an diesem Tag bei einem Flug. Wir bauten ab und fuhren zurück nach Donaueschingen. Obwohl dieser Flug kurz gewesen war und ich allen Grund zum Ärgern gehabt hätte, war ich auch froh, diese intensiven Eindrücke erst einmal verarbeiten zu können.
Schon am nächsten Tag machte ich meinen zweiten Erstflug. Diesmal den ersten Start von Donaueschingen aus. Nun blieb ich gleich ein paar Stunden in der Luft und genoss die Thermik. So wie es sich gehörte.
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