24. April 2014

Höhenrausch

Als ich heute zum Flugplatz fahre und die Quellungen über der Alb sehe, ist es sofort da, dieses Gefühl der Ungeduld, die quälende Frage, ob ich nicht doch hätte fliegen sollen. Aber schon während ich vom Kloster Heiligkreuztal zum Platz fahre, quellen die Wolken derart hoch, dass es für mich so aussieht, als kämen wir heute an einem Gewitter nicht vorbei. Lieber bastle ich mich also eine neue Felge und ein neues Hauptrad in den schönen Apis 2, um für den nächsten Höhenrausch gewappnet zu sein.
Denn ein Höhenrausch war mein Flug am Tag zuvor. Ich konnte es kaum erwarten in die Luft zu kommen und musste mir dann doch eingestehen, dass die Wolken weiter nördlich auf der Alb standen, als es den Augenschein hatte. Aber in 11 Minuten zieht mich der kleine Zweitaktmotor tapfer in den Himmel und dann heißt es für den Rest des Tages: Folge den Wolkenstraßen. Zunächst in Richtung Schwarzwald, kein einziger Kreis mehr für die nächste halbe Stunde. Ich drehe dann an der Albkante dennoch um, mir sieht das da zu dunkel aus, vielleicht will ich heute aber einfach auch neues Revier erkunden.
Das mache ich dann 6,5 Stunden lang, bis ich wieder am Boden bin. Es geht gegen den Wind nach Osten, immer mal wieder auch lange Strecken unter dunklen Wolken, aus denen dann und wann auch mal ein paar Regentropfen auf meine Haube prasseln. Ich Eichstätt wende ich fliege nach Süden, an Augsburg vorbei, doch da komme ich wirklich in Regen, dann eben wieder nach Norden, dem Hornberg einen Besuch abstatten und eine Ehrenrunde drehen. Da liegt ein Stück meines Lebens da unten, weit unten und viele Bilder kommen in mir hoch. Es war eine wunderbare Zeit, die ich sehr vermisse und ich gönne mir das Glück, alles nostalgisch zu verklären, was nicht so gut war.
So rennt der Tag dahin, immer wieder beschäftigen mich die Bilder von früher, aber ich fliege in dem Flieger von heute und der macht immer mehr Spaß. Die Höhe der Wolken und die Stärke der Thermik erinnert mich mehr an Australien, aber unter mir zieht die Alb dahin, hier und da ein bekannter Ort, ein Landmark, langsam macht man sich die Welt zu eigen, das ist ein mühsamer Prozess und ich habe wenig Geduld, weil ich immerzu Lust auf das Neue habe.

Nach der Landung bin ich so richtig fix und fertig. Aber ich bin seelig, denn das war mein absolut längster Flug mit dem Apis2 mit Schnittgeschwindigkeiten, die allein durch die hohen Wolkenstraßen zu erklären sind. Das war schon mal ein guter Saisonauftakt, fünf gute Flüge in Folge, keine technischen Probleme und immer die Sehnsucht nach mehr....

23. April 2014

Dunkelheit

Es ist auf einmal so dunkel um mich herum, ich könnte mich glatt fürchten. Noch vor einer Stunde habe ich daran gezweifelt, ob es überhaupt Sinn macht, heute zu fliegen. Für diesen Flug habe ich einiges in Kauf genommen. Zunächst musste ich mich aus einer Sitzung herausmogeln. Dann musste ich M. zum Bahnhof bringen, nach einigen Tagen zusammen mit mir im Kloster, fuhr Sie nach Hause in den Schwarzwald. Ich musste eine Post finden, um Geld abzuheben (man weiß ja nie) und dann meine Flieger in Mengen aufbauen – zum Glück ein Kinderspiel.
Die wenigen anderen Segelflieger, die auch während der Woche fliegen sind äußerst nett. Müsste ich allen bisher genutzten Flugplätzen eine Note geben, Mengen erhielte die Bestnote!
Dann kommt der Moment, der mich an meinen allerersten Start mit dem Apis 2 überhaupt erinnert, der damals auch in Mengen – unter fachkundiger Anleitung von Uli – stattfand. Meiner Frau standen die Tränen in den Augen – vor Mitfreude. Ich war aufgeregt, weil ich spürte, dass ein neues Kapitel in meinen und in unserem Leben begann.
Heute war das alles schon sehr viel abgeklärter. Gashebel nach vorne, auf Sicherheitshöhe steigen und dann Kurs Nord auf das dunkel schäumende Wolkenmeer zu. Ich fühlte mich eher wie ein Taucher als wie ein Flieger, alle paar Minuten wurde es noch dunkler und nicht nur ich befürchtete, dass ein Gewitter über uns hereinbrechen könnte. Ich flog im Dunkel unter dem Dunkeln und ich flog immer weiter nach Osten, weil von dort der Wind kam und Rückenwind auf dem Weg nach Hause immer gut ist - jedenfalls für den Apis 2 (jedenfalls bilde ich mir das ein).
Doch das Wetter wurde besser. Die ganz Alb lief breitflächig zu, ein Wolkenmatsch, mit dem in der Luft nichts anzufangen war, wie es sich am Boden anfühlen muss, daran dachte ich, an die Radtourenfahren, die Wanderer, jede hat wohl seine eigenen Wetterwünsche. Ich wünschte mir mehr Licht und ich bekam mehr Licht, aber erst spät, aber dafür traumhafte Höhen unter den Wolken und eine zog besser als die andere.
Alles in allem war dieser Flug dann doch ein verspäteter Osterspaziergang in der Luft, eine besinnliche Wallfahrt im Wolkenmeer um mich herum, begleitet von ein paar flitzenden Leistungssegelfliegern hier und da, aber das machte mir heute nichts aus, im Gegenteil, ich war dankbar für Gesellschaft.

Nach vier Stunden hatte ich genug und setzte mich auf die Grasbahn 08, nur um wieder von freundliche Segelfliegern in Empfang genommen zu werden, welch Konstrast zu dem Gemaule in Donaueschingen, mein Gott, es geht doch auch anders. Ich hole mir zunächst einen Cappuccino, der schmeckt sogar, auch darin unterscheidet sich Mengen von Donaueschingen. In aller Ruhe rüste ich meinen Flieger ab und lasse diesen Flug in meinem Kopf noch einmal ablaufen....

16. April 2014

Kaltluft

Während des Queranflugs, der so ruppig, so erbarmungslos hart ist wie keiner, an den ich mich erinnern kann (was nicht viel zu bedeuten hat), frage ich mich, was das alles soll. Musste ich heute wirklich mit dem Apis 2 fliegen, bei dem ganzen Wind? Hatte ich nicht eingesehen, dass der Flieger für windstille Tage gemacht war? Nein, ich wollte einfach fliegen, weil ich das gute Wetter kommen sah, die hohe Basis und der Wind war mir wurscht.
Ich war froh über diesen Impuls. Schon hatte ich befürchtet, das mir mein Wollen abhanden gekommen war. Nun packte mich aber die Lust am Fliegen wieder so sehr, dass ich sogar zwei wichtige Termine absagte bzw. verlegte und direkt nach dem Frühstück zum Flugplatz fuhr. Nach dem Start beutelte es mich ebenfalls. Einmal stieg ich mit 6 Metern pro Sekunde (Motor und Thermik zusammen), dann wieder packte mich eine unsichtbare Hand und hielt mich einfach in der Luft fest – so jedenfalls fühlte es sich für mich an.
Meiner Frau hatte ich etwas von Wind plus Thermik ist gleich Wolkenstraßen erzählt, damit sie sich keine Sorgen macht. Bei Wind macht sich sie immer Sorgen. Wolkenstraßen aber sich gut. Immer wenn ich von Ritten unter Wolkenstraßen erzähle, weiß sie, dass es ein guter Flug war. Also fliege ich, obwohl ich selbst Zweifel habe. Ich werde aber nicht enttäuscht. Ich fliege die Albkante ab, surfe und delfiniere, wo es nur geht. Steige ein paar Superfliegern weg, die ich unterwegs treffe – die lassen mich dann aber ungerührt in der Luft stehen.
Die Stimmung dieses Fluges ist düster, weil es unter den breit gelaufenen Wolken einfach düster ist und kalt. Morgens hatte ich mir noch warme Schuhe beim Schuster abgeholt, doch dann vergessen, diese anzuziehen. Ich friere fast sechs Stunden, nur dann und wann gibt es eine Sonnenlichtung. Aber ich bereue nichts. Während der Woche zu fliegen, zählt doppelt. Der Himmel ist leerer und reiner. Und die Steigwerte entschädigen für die kalten Finger.

Die ersten drei Flüge der Saison bringen mir rund 15 Flugstunden ein. Jeder Flug ein Bild für sich, eine Aufnahme für mein persönliches Museum besonderer Momente.

13. April 2014

Federleichtigkeit

Ich bleibe noch ein wenig beim Thema des Schlüsselbildes. Der nächste Flug hatte auch eines, und es sind genau diese Bilder, die unsere Erinnerung, unsere Identität und unser Menschsein ausmachen – nicht die „Punkte“, die wir erfliegen können für ein erinnerungsloses Ranking.
Wieder katapultiert mich die kalte Frühjahrsluft sehr sehr hoch. Das macht mich forsch und ich eile davon, bloß nicht in Platznähe herumeiern. Zum Glück finde ich eine schöne Linie und diesmal geht es fast parallel am Bodensee entlang – eine schöne Abwechslung für meine Augen (und die brauchen viel, viel Sehstoff).
Der Bodensee ist schön, am Tag zu vor fuhr ich an seinem Ufer von der AERO zurück. Aber irgendwann auf diesem Flug entdecke ich den Federsee, ich schaue in die Karte, ja die Form, die Lage, das muss er sein. Ich habe ich schon früher mit dem Mini Nimbus ein paar Mal gesehen, aber immer nur hastig, denn ich wollte ja weiter, Punkte sammeln. Heute bin ich so hoch, dass ich mich nicht als Segelflieger, sondern als Satellit fühle. Das ist natürlich – in technischen Dimensionen – maßlos übertrieben, aber das Gefühl war dennoch da.

Und aus dem Weltall, meinem Weltall, meiner ganz persönlichen Entrückung, schaue ich auf den See herab, der seinem Namen seiner einzigartigen Form verdankt, sehe den Zulauf, die Ufer, das, was wohl sicherlich ein Naturpark sein wird. Es ist alles so weit weg, so unten, das es einfach das Bild wirken kann. Ich muss mir keine Sorgen machen über das Voran- oder Ankommen. Also verweile ich in meinem Naturmuseum, kreise, staune und versuche mir dieses Bild zu merken, für später, für einsame Tage, für Tage ohne das Fliegen. Tage, die kommen, ohne dass wir es wollen. Tage, vor denen sich der nicht fürchten muss, der Erinnerungen sein Eigen nennen darf. Ich stelle mir die Massen von Punktesammlern vor, wie sie im Altersheim sitzen und auf ihre Tabellenausdrucke schauen. Was wird ihnen wohl die Durchschnittsgeschwindigkeit dann sagen oder die Strecke? Ich werde jedenfalls an das Bild des Federsee denken und daran, wie sich selbst aus meinem Weltraum die Kräuselungen des Wassers erkennen konnte und sie waren dem Salzsee in der Wüste von Südkalifornien nicht unähnlich, doch das ist ein anderes Bild aus einer anderen Geschichte, für meine restlichen Tage.

11. April 2014

Schneefleckenteppich

Jeder Flug hat seine Stimmung, sein Bild im Kopf, das hängenbleibt und für alles steht. Dieses Prinzip nennen Philosophen par pro toto, aber dem Segelflieger, der abends auf der Couch sitzt, endlich wieder mit normaler Körpertemperatur nach einem entspannten Vollbad (denn der Flug war mal wieder lang und hoch und es war so kalt dort oben), dem ist das egal, der fragt sich einfach: was war das heute, was habe ich gerade erlebt?
Vom diesem Tag bleibt das Bild des Feldbergs, über den ich hinweggleite, aber es ist das Bild eines Berges mit einem Schneefleckenteppich, denn der ganze Winterschneemantel ist zwar geschmolzen, doch ein wenig Schnee hat sich noch hartnäckig gehalten.
Ich wollte unbedingt zum Feldberg. Irgendwie ist er zu meiner Ikone geworden, obwohl ich so gut wie nie dort bin. Ich sehe ihn hat gerne von oben aus der Luft. Etwas Besonderes für den ersten Flug des Jahres, das kann nicht schaden, denke ich. Und mache mich davon, nur um unter dunkeln Wolken über dem Berg zu kreisen, den ich jeden Morgen in all seinen Wandlungen sehe, wenn ich meine Runde durch den Wald laufe. Ich liebe den Feldberg als Fernsicht und ich liebe es, darüber hinweg zu fliegen. Beides hat was.
So kann ich mich – und das sollte wie immer zu denken geben – an fast nichts anderes mehr erinnern. Ich weiß nur, dass ich den Feldberg an diesem Tag zweimal gesehen habe. Einmal um 7 Uhr morgens, vom Brend aus (unserem Hausberg) und dann am Nachmittag aus dem Cockpit meines Apis 2.
Wie schön es sich wieder anfühlt, in der Luft zu sein. Ich bin unendlich dankbar für dieses Privileg und genieße jede Minute, jeden Kreis und natürlich auch die hohe Basis, die den Flug ja so entspannt macht. Alle Zweifel sind wie weggeblasen, ein schöner Flug ist wie ein verhangener Spiegel, was man sehen könnte, interessiert nicht mehr, jedenfalls nicht für die nächsten zwei oder drei oder mehr Kreise.