1. April 2014

Erfahrungsberichte

Jeder Flug hat irgendein Thema. Dieses Thema lässt sich nicht aus den OLC-Daten auslesen und vergleichen. Es ist vielleicht ein besonderes Grundgefühl, das mit dem Flug verbunden ist, eine besondere Aussicht oder ein besonderer Gedanke, der mit diesem und eben keinem anderen Flug verbunden ist.
Immer wenn ich Berichte im ‚Aerokurier’ oder in ‚segelfliegen’ lese, vermisse ich dieses Thema. So gut wie alle Berichte sind nach einem äußerst schlichten Muster gestrickt, vielleicht weil Journalisten immer meinen, das Leser mehr nicht verkraften können. Das Muster ist meist so. Ich bin von A nach B geflogen und vielleicht noch nach C, so hoch, so schnell so lange und, ach ja, im Ort, in dem wir übernachtet haben, gab es – bitte ankreuzen – auch eine Burg, ein Museum oder einen netten Ausklang des Tages bei einem netten Essen (Wein bitte auch erwähnen, aber nie den Eindruck erwecken, man würde so viel trinken, dass man am nächsten Tag nicht mehr flugtauglich ist...). Diese Berichte finde ich gähnend langweilig. Immer fehlt das, was ich suche, was ich endlich einmal lesen möchte.
Noch langweiliger sind da eigentlich nur noch die Segelflugberichte. Denn da geht es meist nur noch um die Thermikwerte, die Höhen, die komplette, teils fast schon dokumentarische Nacherzählung des Flugweges. Und am Ende siegt immer der Held, der seinen Schnitt macht und seine Punkte bekommt. Ach so, und das wirklich Übelste (in stilistischer Hinsicht) sind die diesbezüglich sprachlich abgekupferte Beiträge im „Adler“, der Verbandszeitschrift des Baden-Württembergischen Luftsportverbandes, die nur durch das Zwangsabosystem überhaupt noch existiert.
In allen diesen Berichten findet allein die technisch-instrumentelle Rationalität Ausdruck. Einfache Hauptsätze, chronologische Erzählstruktur und Datenfixiertheit sind Ausdruck dieser Haltung. Hat man aber einmal gelesen wie Hesse, Brecht oder andere Literaten eine Wolke beschrieben  haben, erkennt man, dass es da noch eine andere Welt gibt. Aber dazu müsste man eben Hesse, Brecht oder andere lesen.

Ich habe diesen Winter ein Buch über Sehnsucht geschrieben, weil ich glaube, dass ich als Flieger etwas davon verstehe. Oder ist es anders herum? Bin ich vielleicht einfach nur Flieger geworden, weil so viel Sehnsucht in mir ist? Genau das fehlt diesen langweiligen „Erfahrungsberichten“, die eher technischen Dokumentationen gleichen und in denen man nur der singulären Erfahrung eines anderen zuschaut, ohne  wirklich daran teilhaben zu können. Was fehlt, ist das, was uns alle verbindet, die Sehnsucht jenseits der eigenen Erfahrung. Zugegeben, das ist nicht einfach und auch mir gelingt das nicht immer. Aber es ist der einzige Weg, der sich lohnt.

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